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Perspektiven Museumsbahn Empty Perspektiven Museumsbahn

So 07 Nov 2010, 10:17
Hallo zusammen!

Zur aktuellen Museumsbahntagung hat der VDMT ein Positionspapier verteilt, in dem Entwicklung, Stand, und Perspektiven der Museumsbahnszene beschieben wird:

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Das stellt nicht in jedem Fall meine Meinung dar, ist aber sicher eine Interssannte Diskussionsgrundlage.

Viele Grüße

Marcus Mandelartz

Hier der Text (unformatiert und ohne Grafik):

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Eine Betrachtung zum Beitrag der Museumsbahnszene

Autor
Wolfram Bäumer
eh. AK Museumskonzeption
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Verband Deutscher Museums- und Touristikbahnen
Gräfelfinger Str. 72a
81375 München
[Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um diesen Link sehen zu können]
(C) VDMT, 2010
4.11.2010

INHALT
  • Ausgangslage

  • Begriffsbestimmungen

  • Ziele der Macher

  • Wünsche an Museumsbahnen

  • Heutiger Stand

  • Blick nach vorne

  • Empfehlung zum Weiterlesen


VORWORT
Seit Eröffnung der „Ersten Museums-Eisenbahn Deutschlands“ am 2. 7. 1966 in Bruchhausen-Vilsen bereichern ehrenamtlich tätige Eisenbahner die einstmals starr festgefüg-te Eisenbahn-Welt in Deutschland. Zusammen mit den kommerziellen Touristikbahnen und den Eisenbahnmuseen ist bis heute ein dichtes Eisenbahn-Freizeit-Angebot entstanden, und jährlich treten neue Initiativen hinzu. Die selbstgesteckten Ziele der Macher und die von außen herangetragenen Wünsche sind sehr weit gefächert, und neben Erfolgsmodellen sind auch Stillstände und mittlerweile sogar Scheitern zu beobachten. Die Chancen und Risiken lassen sich aus einigen Beispielen ableiten und für künftige Projekte konzeptionell berücksichtigen.

AUSGANGSLAGE

Das Bedürfnis nach Museumsbahnen ist in vielen Ländern der Ersten Welt entstanden, und wie nicht anders zu erwarten zuerst in Großbritannien. In Wales wurde schon in den 1930er Jahren eine Werksbahn im Personenverkehr weiterbetrieben, als der Schiefertransport ausgelaufen war. Als im deutschen Wirtschaftswunder für die Protagonisten erkennbar wurde, daß der Traktionswandel innerhalb des Transportsystems Eisenbahn das Ende der Dampflokomotiven bringen würde und daß die Klein- und Straßenbahnen als Transportsystem mit hoher regionaler Erschließungsfunktion durch den motorisierten Individualverkehr abgelöst werden, kam die Idee auf, Teile davon durch „Einfrieren” der Nachwelt zu erhalten. Der damalige Direktor des stadthistorischen Museums in Hamburg, Prof. Dr. Walter Hävernick, steckte mit seinen Ideen andere Eisenbahnfreunde in Hamburg an. Schon 1961 wollten sie eine kurze und unmittelbar vor der Stilllegung befindliche Straßenbahn-strecke übernehmen und weiter betreiben – natürlich nur an wenigen Betriebstagen im Jahr. Doch war im Hamburger Villenviertel die Zeit noch nicht reif für so etwas. Erst fünf Jahre später wurde in Bruchhausen-Vilsen die „Erste Museums-Eisenbahn Deutschlands” eröffnet, wie man die Initiative damals nannte.

Dort gab es eine typische ländliche Kleinbahn mit einem sehr innovativen Betriebsleiter und hoher Bereitschaft für neue Ideen. Die Idee der Eisenbahnfreunde war es, diese unter der Woche im Güterverkehr lebendige Kleinbahn zu ergänzen durch einen Personenverkehr an Wochenenden mit historischen Fahrzeugen. Unternehmerisch und eisenbahnbetrieblich eine perfekte Er-gänzung der Infrastrukturnutzung. Heute würde man das vermutlich win-win-Situation nennen.

Die Umsetzung dieser Idee erwies sich auch kulturell als ein Quantensprung für die Entwicklung des Museumswesens, denn bis dahin waren die sehr wenigen Freilichtmuseen noch durch ver-gleichsweise tote Ausstellung ihrer Objekte gekennzeichnet. Der Museums-Eisenbahn können die Museumsbesucher nicht nur andächtig zuschauen oder zuhören, sondern sie sind sogar ge-zwungen, einzusteigen, Platz zu nehmen und die Zugfahrt mit allen Sinnen zu erleben. Obendrein müssen die Besucher selbst sogar eine Rolle innerhalb der Museums-Inszenierung über-nehmen: die fremder Fahrgäste für die jeweils anderen Museumsbesucher, sprich – Fahrgäste.

BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

Daß alle Eisenbahnen gekennzeichnet sind durch Anlagen, Sicherungseinrichtungen, Transportgefäße und Triebfahrzeuge, Betriebsweise, Eisenbahner und ein Verkehrsbedürfnis, braucht hier nicht weiter ausgeführt zu werden. Das Verkehrsbedürfnis ihrer Kunden und die Nachfrage bei ihren Lieferanten machen die Eisenbahnen zum Bestandteil der Wirtschaftssysteme. Eisenbahnen sind kommerzielle Einrichtungen, die entweder Gewinn machen oder für die ihnen übertragenen gemeinwirtschaftlichen Aufgaben einen Ausgleich erhalten müssen. Substanzverzehr des Anlagevermögens ist – wirtschaftlich gesehen – vorübergehend ebenfalls denkbar, auch wenn wir Eisenbahner uns das nicht wünschen.

Museen sind dauerhafte, der Volksbildung verpflichtete Institutionen, die die Museumsfachleute über das professionelle Wahrnehmen von fünf Kernaufgaben kennzeichnen: Sammeln, Bewahren, Vermitteln, Forschen und Dokumentieren. Sie sind Bestandteil unserer gesellschaftlichen Kultur und damit konzeptionell non-profit-Unternehmen. Das heißt natürlich nicht, daß Museen ihre Themen immer toternst vermitteln müßten, vielmehr werden heute diverse museumspädagogische Überlegungen angestellt, damit den Besuchern der Museumsbesuch auch Spaß bereitet. Neben den beschriebenen, wissenschaftlich verpflichteten Museen gibt es auch privat geführte Sammlungsausstellungen und Kuriositätenshows, die zwar nicht selten den Begriff „Museum” im Namen führen, doch hier nicht weiter betrachtet werden sollen.

Die Museums-Eisenbahn stellt keine Vereinigung aller Elemente der Eisenbahnen und Museen dar, sondern klammert nur einige davon und in unterschiedlichen Ausprägungen zu etwas Neuem zusammen. Im optimalen Fall verfügt eine Museums-Eisenbahn über eine Strecke und Bahnhöfe, auf der sie mit Fahrzeugen Betrieb macht. Natürlich müssen alle Elemente des Transportsystems historisch sein, auch die Betriebsweise. Und ebenso natürlich ist Substanzverzehr nicht zulässig, widerspräche der doch dem Bewahrungsauftrag der Museen. Deshalb rangiert eine Museums-Eisenbahn ihre Fahrzeuge abends in eine Depothalle, wo sie unter konservatorisch guten Bedingungen Schutz genießen.

Grafik: Eisenbahn - Museum (in der .pdf-Version wiedergegeben)
Abb.: Kennzeichen von Eisenbahnen bzw. Museen

Das Wichtigste jeder vernünftigen Eisenbahn fehlt der Museums-Eisenbahn jedoch auch im optimalen Fall: die Nachfrage nach einer Ortsveränderung von Menschen, Informationen oder Gütern – ein Verkehrsbedürfnis eben. Schließlich wollen die Menschen nach der Mitfahrt am Ende wieder bei ihrem Pkw auf dem Besucherparkplatz ankommen oder bei der ÖV-Zugangsstelle. Also auch wenn die Besucher tatsächlich mit der historischen Eisenbahn zeitweise zwischen Bahnhöfen unterwegs sind, leisten Museums-Eisenbahnen keine kommerzielle Wertschöpfung für die Transportwirtschaft.

Seit 1966 sind in Deutschland massenhaft Initiativen entstanden, es gibt sogar ein eigenes „Kursbuch der Museumsbahnen”. Es liegt auf der Hand, daß zumeist Potential nur eingeschränkt verfügbar ist. So fehlt sehr vielen eine eigene Infrastruktur, bei den dortigen „Museumsbahnen” muß es sich somit eher um nostalgische Zugfahrten auf z. T. hochmodernen Schienenwegen handeln.

Auch beim Fahrzeugmaterial werden Abstriche gemacht, z. T. handelt es sich um vergleichsweise moderne Zechen-Dampfloks oder Rekodampfer, die die DR zu Beginn der 1990er Jahre in großer Stückzahl verkaufte. Z. T. können sogar die „historischen” Dieseltriebwagen oder Dieselloks neuer sein als die außen lichtgrau lackierten Transportgefäße eines bekannten Mobilitäts-Dienstleisters im Schienenfernverkehr. Abstriche müssen auch bei der Bewahrung der historischen Substanz in Kauf genommen werden, um mit historischen Fahrzeugen heutige Netzzu-gangskriterien zu erfüllen und wenn historische Loks und Wagen jahrelang im Freien stehen.

Wenn obendrein ein Nikolaus durch die Wagen geht oder der Zug für Indianerüberfälle, zum Grillen oder Ostereiersuchen auf freier Strecke anhält, mag das vielleicht ein schönes Erlebnis für die Fahrgäste sein, doch sicher kein Museumsbesuch mehr. Für derart vom Museumsthema ab-weichende Inszenierungen hat sich der Begriff „Disneyland” etabliert.

Ergänzender Hinweis: Es gibt auch regelrechte Touristikbahnen, und die können bei Einbindung in ein entsprechend attraktives touristisches Ziel durchaus auch profitabel sein. Genannt seien die Zahnrad- und Schmalspurbahnen zu bekannten Bergspitzen und die nostalgisch angehauch-ten Dampfbahnen an der Ostseeküste, im Brohltal oder im sächsischen Mittelgebirge. Diese Bahnen sind keine Museumsbahnen, sie vermitteln keine musealen Inhalte, sondern ein schönes Erlebnis, und sie haben es auch nicht nötig, den Begriff Museum für sich zu strapazieren.

ZIELE DER MACHER

Fragt man Museumsbahner von außen nach ihren Intentionen, wird i. d. R. der Erhalt historisch wertvollem Kulturgutes für die Nachwelt und dessen Einsatz als museale Züge genannt. Die subjektive Ernsthaftigkeit der Antwort steht außer Zweifel. Doch warum gibt es dann so viele Initiativen mit wenig Aussicht, derart hochgesteckte Ziele jemals zu erreichen? Viel vernünftiger wäre es doch, wenn die Macher ihre Aktivitäten auf eine geeignete Anzahl Museumsbahnen konzentrieren würden und dann tatsächlich zum Erfolg kämen.

Doch daß Vernunft selten die Basis für menschliche Entscheidungen ist, weiß nicht nur die deutsche Autoindustrie, sondern wissen auch wir Museumsbahner. Bei selbstkritischer Reflektion ist rasch zu erkennen, daß Museumsbahnen ein gutes Medium darstellen, um Menschen ihre Bedürfnisse nach sozialen Kontakten und Nestwärme zu befriedigen, nach Wertschätzung und Anerkennung oder sogar nach Ausleben eigenen Gestaltungswillens. Das ist für unsere Gesellschaft eine nicht zu unterschätzende Funktion, doch stehen hier Museumsbahnen in einer Reihe mit Freiwilligen Feuerwehren, Laubenpiepervereinigungen und vielen anderen sozial wichtigen Einrichtungen. Natürlich gibt es auch Hartgesottene, die sich ausschließlich für die Eisenbahn interessieren und sich deshalb ausdrücklich bei einer Museumsbahn engagieren mögen.

Besonders in den 1970er Jahren sind neue Museumsbahnen durch Abspaltung entstanden. Grund waren zumeist Meinungsverschiedenheiten unter den Museumsbahnern oder das Streben nach einer bestimmten Position, die im etablierten Verein schon besetzt war. Als Gründe genannt werden jedoch der zu weite Anfahrweg oder der historische Wert der nunmehr für die neue Museumsbahn beschafften Objekte. Beide Argumente erweisen sich bei genauerer Betrachtung häufig als sachlich falsch und belegen somit das Überwiegen rein persönlicher Aspekte. Aller-dings sind aus diesen „Zellteilungen” auch einige erfolgreiche Museumsbahnen entstanden, die die heutigen Museumslandschaft wirklich bereichern. Es gibt aber auch Gegenbeispiele, wo die Konzentration der Kräfte auf ein einziges Projekt vermutlich zumindest diesem den Durchbruch ermöglicht hätte.

Unter Museumsbahnern ist die Lust an Eisenbahn-Technik und -Betrieb weit verbreitet. Viele Aktive möchten als Schaffner, Rangierer, Heizer oder Lokführer mitmachen und aus der gelungenen Wahrnehmung dieser Rollen Anerkennung oder Lustbefriedigung finden. Mit dieser Intention leisten sie auch einen wichtigen Beitrag für den Museumsbahnbetrieb. Die chronisch unter Nachwuchsmangel leidende Deutsche Reichsbahn nutzte dieses Potential geschickt aus, in dem sie die an mehreren Standorten betriebenen „Pioniereisenbahnen” tatkräftig unterstützte. Dort konnten Jungen und Mädchen an die Staatsbahn-Regeln angelehnte Befähigungen erwerben und sich dann sogar als Lokführer und Fahrdienstleiter betrieblich ausleben.

Weniger verbreitet unter ehrenamtlichen Museumsbahnern sind unternehmerisches Denken, Gespür für die Bedürfnisse aus der Region und kommunikative Fähigkeiten, sei es im Dialog mit den Fahrgästen oder mit den wichtigen Entscheidern vor Ort. Das ist auch nicht anders zu erwarten, denn solche Könner sind häufig schon beruflich stark eingebunden, so daß jenen die inhaltsgleiche Fortsetzung ihrer Arbeit im Ehrenamt für eine Museumsbahn absurd erscheinen muß.

Fazit: Das ehrenamtliche Engagement der Museumsbahner wird in seiner Bedeutung für die Allgemeinheit häufig überschätzt. Es ist weitaus mehr zur Befriedigung des Enthusiasten selbst ausgerichtet, und das ist ja auch kein Makel.

WÜNSCHE AN MUSEUMSBAHNEN

Außenstehende lassen sich von den formulierten Zielen der Museumsbahner gerne anstecken und setzten große Hoffnungen in solche Initiativen. Da ist von Erhalt der Infrastruktur die Rede, von Wirtschaftsförderung oder Befeuerung des Tourismus´. Im Rahmen der Förderphilosophie finden sich sogar häufig gutmeinende Politiker, die „aus Berlin” oder „aus Brüssel” Anschubinvestitionen akquirieren – sogar in Millionenhöhe, um mit einer neuen Museumsbahn die Tourismusströme in die sehenswerte Gemeinde zu lenken. Doch schon 5 oder 10 Jahre später sieht es vor Ort traurig aus. Denn die kleinen Vereine sind häufig nicht in der Lage, die geschaffene Substanz entsprechend zu betreiben und zu erhalten.

Einige Museumsbahnen haben sich mittlerweile als positiv für den Wirtschaftsstandort erwiesen, insbesondere im bis dato ländlich-strukturschwachen Umfeld. Zunächst können Gastronomie und ggf. das Übernachtungsgewerbe vor Ort profitieren, später auch Lieferanten für Materialien und Betriebsstoffe oder Dienstleister. In Bruchhausen-Vilsen ist aus der von vier Museums-Eisenbah-nern gegründeten Mittelweserbahn GmbH in zehn Jahren der zweitgrößte Arbeitgeber im Ort ent-standen mit heute mehr als 100 Mitarbeitern. Gerade der Ort Bruchhausen-Vilsen profitiert erheblich von den zwei weit bekannten und positiv besetzten Marken-Artikeln: „Vilsa-Mineralwasser” und „Museums-Eisenbahn”. Nicht zuletzt deshalb konnte der Ort in den letzten zwei Jahrzehnten stärker als andere Orte Neubaugebiete ausweisen und leistungsstarke Neubürger anziehen.

Inwieweit es andernorts gelungen ist, vergleichbare Effekte aus Museumbahnen heraus für den Ort oder die Region zu generieren, sei hier nicht bewertet. Am ehesten vermuten mag man es am Schönberger Strand, im Preßnitztal, Ebermannstadt (Fränkische Schweiz), Gerstetten und Neresheim, Ochsenhausen, Kandertal und Schierwaldenrath (Selfkant). Auf der anderen Seite wird es dem Frankfurter Feldbahnmuseum nie gelingen können, einen nennenswerten Anteil an der Wirtschaftskraft der Mainmetropole zu erlangen, obwohl gerade dieser Museumsbahn ein weit strahlender Leuchtturm-Charakter innerhalb der Museumsbahn-Szene zuzubilligen ist. Die Bedeutung vor Ort ist also auch eine Frage der Relationen.

Auch Anlieger haben Wünsche an Museumsbahnen: Sie möchten – abgesehen von der gelegentlichen Mitfahrt – von dem Betrieb möglichst wenig belästigt werden. Während 1966 die Begeisterung für das Fortsetzen des bestehenden Betriebes im Ort überwog, würde heute die Einrichtung einer neuen Museums-Eisenbahn in Bruchhausen-Vilsen sicher auf entschiedene Gegenwehr stoßen.

Die Ausführungen sind als Warnung gedacht, überzogene Hoffnungen auf bestehende Museumsbahnen oder auf neue Projekte zu setzen. Selbst wenn sich auch heute noch spontan Enthusiasten finden, eine der Stilllegung anstehende Eisenbahn zu übernehmen und erste Fahrzeuge beschafft sind, ist Vorsicht angesagt. Bereits vor über 20 Jahren mußte die Gemeinde Schönau im Odenwald erleben, wie ein engagiert gestartetes Projekt scheitert und wie teuer es werden kann, die vielen angesammelten Fahrzeuge schließlich 1994 fachgerecht entsorgen zu lassen. Der Verein und seine Mitglieder waren dazu längst nicht mehr in der Lage. Die Anzahl einstmals dampfbetriebener Museumsbahnen, die mittlerweile der einfacher zu realisierenden Dieseltraktion den Vorzug geben müssen, ist heute schon nicht mehr zu übersehen und steigt weiter an. Auch einstmals bedeutsame Museumsbahnen können heute schon Geschichte sein, die seit 1988 technisch gesperrte Jagsttalbahn ist ein trauriges Beispiel für diese Entwicklung.

HEUTIGER STAND

Die nach der 68er Zeit eingetretenen gesellschaftlichen Veränderungen haben auch zur Neu-gründung zahlreicher Museen geführt. Aus den Musentempeln wurden Lernorte, die heute mit einem anregenden Infotainment werben. Insbesondere technikhistorische Museen, Museen der All-tags- und Arbeiterkultur, Freilichtmuseen sowie „arbeitende” Museen sind in großer Zahl entstanden. Im Fahrwasser dieser Entwicklung sind auch die zahlreichen Museumsbahnprojekte zu se-hen, so etwas war über viele Jahre sehr sexy, und überall gab es schöne Strecken und wertvolle historische Fahrzeuge, die man retten konnte bzw. mußte.

Das Beispiel der Preßnitztalbahn zeigt, daß auch 30 Jahre nach Beginn der oben geschilderten Entwicklung der Aufbau einer völlig neuen Museumsbahn auf einer historischen und zwischenzeitlich demontierten Strecke gelingen kann, wenn Engagement und Sachverstand der Muse-umsbahner auf der einen Seite mit Fördermitteln und einer sehr breit aufgestellten Arbeitsbeschaffungsmaßnahme auf der anderen Seite zusammentreffen. Auch das vergleichbare Projekt der Härtsfeld-Museumsbahn startete spät und Jahre nach Stilllegung und Abbau der vormaligen Strecke, und auch dieses Projekt scheint erfolgreich zu verlaufen.

Dort sieht man aber auch, wie lange es dauert und in welch kleinen Schritten Substanz entsteht, wenn das Projekt nicht in den neuen Ländern liegt und auf weitaus überschaubarere Fördermittel angewiesen ist.
Mittlerweile sind Stagnation und Rückgang der für diese Entwicklung notwendigen Ressourcen unübersehbar: Die Besucherzahlen auch in exzellenten Häusern sinken, und die Fördermittel fließen spärlicher als früher. Für neue Museumsbahnen kommt hinzu, daß die überlieferten und historisch irgendwie bedeutsamen Fahrzeuge andernorts bereits gesichert sind oder die Kraft jeden Vereins sprengen würden. Z. B. überstieg die Wiederinbetriebsetzung einer TEE-Triebzug-Garnitur selbst die Kraft des DB-Museums, und an den Erhalt einer repräsentativen IC- oder IR-Garnitur wagt sich auch (noch) niemand heran.

Am meisten leiden werden die Museumsbahn-Mannschaften jedoch unter dem zu geringen Nachwuchs jüngerer ehrenamtlich aktiver Mitmacher. Das veränderte Freizeitverhalten läßt Jüngere andere Interessen verwirklichen – treu bleiben die bereits langjährig Aktiven. Es gilt Wege zu suchen, mit denen das ehrenamtliche Engagement gesellschaftlich aufgewertet wird und auch wieder attraktiv wird für jüngere als Rentner.
Heute zehrt die Ehrenamtlichkeit maßgebend von den vorzeitigen Verrentungen und den häufig guten finanziellen und gesundheitlichen Konstitutionen der Senioren. Die für unser Rentensystem so bedrohliche demographische Entwicklung für die nächsten Jahrzehnte dürfte sich für die Museumsbahnen als Segen erweisen, wenn es gelingt, die in jungen Jahren aktiv gewordenen Menschen langfristig an den Verein zu binden bzw. nach den Anstrengungen der Reproduktions- und Erwerbsphase erneut für das Ehrenamt zu gewinnen.

Nach einer ungestümen Expansion der Museumsbahn-Szene steht jetzt eine Epoche der Konsolidierungen zu erwarten. Noch sträuben sich viele, das wahrzuhaben. Doch macht sich Enttäuschung breit, wenn man so manche Museumsbahn nach Jahren wieder aufsucht. Auch unter den ehrenamtlich Aktiven kommt Frust auf, wenn sie erkennen, durch ihre Leistung keine Nachhaltigkeit der Erfolge zu erzielen. Beides reduziert die wertvollsten Ressourcen, nämlich die der Fahrgäste und der Mitmacher.

Falls es gelingt, den quantitativen Rückgang ohne wesentliche Verluste an historischer Substanz zu bewältigen, folgt daraus sogar ein qualitativer Fortschritt. Denn es dürfte – aus musealer Sicht – besser sein, die Diamanten unter den Sammlungen in einer gewissen Anzahl von Lokschuppen und Depothallen zusammenzuziehen, als in jedem Landkreis irgendwelche Fahrzeuge Wind und Wetter auszusetzen und die darunter befindlichen erhaltungswürdigen Objekte zu übersehen.

BLICK NACH VORNE

Museumsbahnen haben einen nicht zu übersehenden Stellenwert im Freizeitmarkt übernommen. Sie vermitteln ihren Besuchern ein schönes Erlebnis und sind in ihrer sozialbildenden Funktion für die ehrenamtlich Aktiven kaum zu überschätzen. Die Entwicklung in Deutschland war 40 Jahre lang positiv. Doch wer gedanklich die Megatrends unserer Gesellschaft auf die Museumsbahnszene überträgt, wird mit einer langfristig bevorstehenden Konsolidierungsphase rechnen müssen. Die Zeit für neue Initiativen scheint vorbei zu sein, und man sollte sehr vorsichtig werten, falls tatsächlich noch neue Projekte angetragen werden.
Diese Skepsis gilt zumindest für neue Museumsbahnen mit Dampf-, Dieselloks oder knatternden Schienenbussen. Doch da die Musealisierung von Geschichte stets in der Gegenwart beginnt, sei nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern sogar ausdrücklich gewünscht, daß später einmal engagierte Eisenbahnfreunde so etwas wie die Nebenbahn Rostock – Wismar samt EStw übernehmen und dort Desiro-Triebwagen einsetzen. Das wäre dann eine gute Museums-Eisenbahn zum Thema, wie man sich in den 1990er Jahren nach Bahnreform und Regionalisierung eine „Musterstrecke” vorstellte mit all ihren ganz besonderen Ausprägungen.

Möglicherweise würden dann um das Jahr 2050 Eltern mit ihren Kindern nach Bad Doberan pilgern und dort die „gute alte Zeit” suchen – bei einer Fahrt mit einem VT 642 nach Rostock. Denn dann steht der Desiro-Triebwagen für den Begriff „Opas Eisenbahn”, während dieselben Besucher den Dampfzug beim Molli ebenso weit in die Geschichte verorten wie z. B. Hansekoggen und die Wikingerzeit. Das klingt für uns heute erschreckend, ist so absurd aber nicht. Was heute die Museumsbahnfahrgäste und Eisenbahnfreunde begeistert (Uerdinger und Bautzener Schienenbusse, V 100 und Umbauwagen) war vor 40 oder 50 Jahren der Schrecken der Eisenbahnfreunde. Die Zukunft der Museumsbahnen dürfte sich demnach in mehrfacher Hinsicht als spannend zu beobachten und noch spannender mitzugestalten erweisen.

EMPFEHLUNG ZUM WEITERLESEN

Das Kleinbahn-Museum Bruchhausen-Vilsen hält viele Beiträge der Zeitschrift Die Museums-Eisenbahn aus den 1990er Jahren im Internet abrufbereit unter [Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um diesen Link sehen zu können] Als Ergänzung der hier getroffenen Aussagen seien besonders empfohlen die Ausgaben: 1989-4, 91-3, 91-4, 92-1, 92-3 und 93-2
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